Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin
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Merkblatt zur BK Nr.1315: 
Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, 
die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit 
ursächlich waren oder sein können
 
 
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 Erkrankungen durch Isocyanate,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben,
die für die Entstehung, die Verschlimmerung
oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
 Merkblatt für die ärztliche Untersuchung
(Bek. des BMA, BArbBl 3/93 S. 48)

Isocyanate sind reaktionsfreudige Ester der Isocyansäure mit einer oder mehreren Atomgruppen -N=C=O. Di- und Polyisocyanate bilden gemeinsam mit den weitgehend ungiftigen Polyolen die Grundbausteine der Polyurethan(= PUR)-Chemie und werden teils in reiner Form teils mit anderen Zusatzstoffen in Arbeitsprozessen eingesetzt.

I. Vorkommen und Gefahrenquellen

Die Stoffgruppe (z. B. Desmodur-Produkte) besitzt ein breites Anwendungsfeld für die Herstellung von Schaum und anderen Kunststoffen, Lacken und sonstigen Oberflächen-Beschichtungen, Klebern und Härtern, Pharmazeutika, Pestiziden und anderen Erzeugnissen der chemischen Industrie.

Beim Spritzlackieren entstehen Isocyanat-haltige Aerosole. Mit einer Gesundheitsgefährdung muß insbesondere beim Verarbeiten von 2-Komponenten-Reaktionssystemen gerechnet werden. Es gibt auch Isocyanat-haltige 1-Komponenten-Produkte, die mit dem Wasserdampf der Luft aushärten. Großflächig aufgetragen, können Isocyanate durch verdunstende Lösemittel mitgerissen werden. Epoxid-haltige und Alkydharz-Bindemittel werden gelegentlich mit Isocyanaten kombiniert. Das Verbrennen und Verschwelen von Polyurethanen setzt möglicherweise Isocyanate frei. Dies gilt z. B. beim Schweißen von PUR-beschichtetem Metall, beim Metallguß in entsprechenden Formen, beim Ein- oder Abbrennen von PUR-Lackschichten sowie beim Schneiden von Hartschaumplatten und beim Anschleifen von PUR-Anstrichen.

Im einzelnen sind von besonderer Bedeutung:
 
Diisocyanattoluol (= Toluylendiisocyanat = TDI; Toluoldiisocyanat; Methylphenylendiisocyanat) TDI:

Diese Substanz dient zur Herstellung von Polyurethanen, die als Weichschaumstoffe, Elastomere, Beschichtungen, Klebstoffe und Lackrohstoffe Verwendung finden. Während der Produktionsprozesse und bei der Anwendung besteht eine gesundheitliche Gefährdungsmöglichkeit, vorwiegend bei der Herstellung von Polyurethanschaum und dem Aufschäumen zur Polsterung, als Verpackungsauskleidung und als Isolierschicht. Dies geschieht häufig im 2-Komponenten-Verfahren, wobei die eine Komponente aus TDI besteht.

Diphenylmethan-Diisocyanat (= Methylendi-(phenylisocyanat) = MDI)

Wegen des im Vergleich zu TDI geringen Dampfdrucks ist die gesundheitliche Gefährdung durch MDI bei Raumtemperatur niedriger einzustufen. Eine Gefährdungsmöglichkeit liegt vor an Arbeitspätzen zur exothermen Hartschaumproduktion für Maschinen- und Karosserieteile, zur Produktion von Automobilteilen und zur Beschichtung von Textilien und Leder. Eine Einwirkung von MDI kann ferner auftreten bei der Herstellung von Holzersatz, von Fußböden und von Sportartikeln sowie während seiner Verwendung als Bindemittel für den Formsand in Metallgießereien und zur Gesteinsverfestigung im Bergbau.

II. Pathophysiologie

Die Isocyanate reagieren insbesondere chemisch mit NH2 und OH-Gruppen, so daß Zellmembranen im menschlichen Körper verändert und zerstört werden können. Toxische.Wirkungen werden auch mit einer in vitro nachgewiesene Hemmung der Acetylcholinesterase erklärt. Die Aufnahme erfolgt vorwiegend durch Inhalation von Isocyanat-haltigen Dämpfen, Aerosolen und Staubpartikeln. Dies kann zu allgemeinen Reizerscheinungen am Auge und im Respirationstrakt führen. Isocyanate rufen gelegentlich eine Sensibilisierung im Sinne einer zellgebundenen Typ I-Allergie hervor. Wie alle derartigen allergischen Reaktionen, kann diese schon bei Einwirkung sehr geringer Konzentrationen erfolgen. Im Serum von 5-20% der Exponierten sind spezifische IgE- oder/und IgG-Antikörper nachweisbar.

Die erwähnten Mechanismen können zu einer Bronchialobstruktion mit asthmaähnlicher Symptomatik oder in leichteren Fällen zu einer Steigerung der bronchialen Reagibilität führen. Weniger häufig kommt es zu einer Schädigung des Alveolarepithels in den Lungen mit dem klinischen Bild einer Alveolitis, nach schweren Vergiftungen auch zur Entwicklung eines toxischen Lungenödems.

III. Krankheitsbild und Diagnose

IV. Weitere Hinweise

Empfindliche Personen können auch an einer Bronchialobstruktion durch Isocyanate erkranken, wenn sich ihr Arbeitsplatz in größerer Entfernung zur Emissionsquelle befindet. Nach Beendigung der Exposition bilden sich die respiratorischen Symptome etwa in der Hälfte der Fälle wieder völlig zurück.

Differentialdiagnostisch sind insbesondere allergische Asthmaerkrankungen bei Sensibilisierung gegen Pflanzenpollen, Hausstaubmilben, Tierhaare und das im mittleren Lebensalter charakteristischerweise nach Bronchialinfekten auftretende und fortbestehende Infekt-Asthma ("Intrinsic-Asthma") abzugrenzen. Eine Bronchialobstruktion während des Umganges mit Isocyanaten kann auch anderweitig bedingt sein: z. B. durch tertiäre alipathische Amine, die als Katalysatoren bei der Weichschaum sowie bei der Kernsand-Herstellung Verwendung finden; durch Aerosole von allergiesierenden Kühlschmiermitteln oder durch Rizinusöl, das u. a. Gesteinsverfestigern zugesetzt wurde. Eine schwere obstruktive Bronchopneumopathie im späteren Lebensalter und eine schwere Lungenfibrose werden meist anderweitig verursacht.

Isocyanat-induzierte Hauterkrankungen fallen unter die Nr. 5101 Anlage 1 BeKV.

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Verbindlich ist nur der im Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Wortlaut.
 

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Letzte Überarbeitung: 1.3.1999