Universität Rostock - Medizinische Fakultät
Institut für Arbeitsmedizin
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Merkblatt zur BK Nr. 1312: Erkrankungen
der Zähne durch Säuren
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Erkrankungen der Zähne durch Säuren
Merkblatt zu BK Nr. 17 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 17. 9. 1962, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1962,
202 f.)
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Säureschäden der Zähne durch anorganische Säuren (Mineralsäuren)
können bei ihrer Herstellung oder Verarbeitung entstehen, z. B. bei
der Salz-, Schwefel- oder Salpetersäurefabrikation, in Metallbeizereien,
beim Gelbbrennen, in der Zinkelektrolyse und in den Formierabteilungen
der Akkumulatorenfabriken.
Zahnschäden durch organische Säuren können insbesondere
durch Essig- und Ameisensäure in Textilfabriken im Stoffdruck, durch
Oxalsäure in Färbereien und chemischen Reinigungen, durch Wein-
und Zitronensäure in pharmazeutischen und Nährmittelfabriken
auftreten.
Eine besondere Gefahrenquelle sind die Mineralsäuren, vor allem
die Halogenwasserstoffsäuren und die Salpetersäure, da diese
schon bei normaler Temperatur flüchtig sind.
II. Aufnahme und Wirkungsweise
Säuren wirken durch den Luftstrom direkt auf die Zähne zuerst
an den Stellen ein, die bei geöffnetem Mund von Weichteilen (Lippen)
entblößt und relativ frei von Speichel sind. Infolgedessen treten
zu Beginn Schäden in der Regel an der Vorderfläche der oberen
mittleren Schneidezähne in der Gegend der Schneidekanten auf. Die
unteren Frontzähne bleiben zunächst frei, später können
Schäden im Bereich der Schneidekanten entstehen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Es wird zunächst über ein Gefühl des "Stumpfwerdens" der
Zähne geklagt, das sich, im Gegensatz zur gleichen Empfindung nach
Fruchtsäuregenuß, nicht wieder verliert. Die Zähne werden
glanzlos und rauh. Beim Fortschreiten dieses Prozesses wird der Schmelz
dünner, es kommt zum Verlust der Kontaktpunkte (Keilform der Zähne),
zu zackigen Rändern, das Dentin tritt mehr und mehr hervor, wodurch
die Zähne allmählich dunkel werden.
Es kann eine Überempfindlichkeit gegen Temperaturunterschiede und
gegen süße, salzige und saure Speisen entstehen. In der Regel
verliert sich diese bald durch Bildung von Reizdentin.
Außer der Zerstörung des Schmelzes kommt es zusätzlich
zu einem mechanischen Zerstörungsprozeß, der an den Schneidekanten
beginnt. Die Zähne werden kürzer; es entsteht der "offene Biß".
Das Ende dieses Vorganges sind verfärbte Zahnstummel.
Zahnfleischerkrankungen sind nicht die Folge der Säureeinwirkung,
sondern der mangelnden Mundpflege.
Die Zahnveränderungen entwickeln sich im Laufe mehrerer Jahre,
können allerdings auch schon nach wenigen Monaten auftreten. Hierbei
spielen neben der Säurekonzentration und der Einwirkungsdauer sowie
dem Ausmaß der getroffenen Schutzmaßnahmen die Qualität
des Schmelzes und die persönliche Hygiene eine Rolle.
Die Diagnose ergibt sich aus der typischen Lokalisation der Substanzverluste
in Verbindung mit der Arbeitsanamnese.
Differentialdiagnostisch sind Säureschäden anderer Ätiologie
und damit anderer Lokalisation abzugrenzen, z. B. gegen Schäden durch
jahrelangen Genuß konzentrierter Fruchtsäfte (Fruchtsäuren),
durch ungeeignete Mundwässer und Zahnpflegemittel, durch Zerstäuben
und Inhalieren von Medikamenten, die geeignet sind, die Zähne anzugreifen,
durch jahrelanges perorales Einnehmen von Salzsäure, ferner gegen
Altersabschliff (Abrasio) und gegen die Caries dentium.
B. Erkrankungen der Zähne durch in der Mundhöhle
sich bildende organische Säuren
I. Vorkommen und Gefahrenquellen
Es handelt sich hier um Schädigungen der Zähne durch organische
Säuren, die auf Grund von Gärungsprozessen in der Mundhöhle
entstehen (Milchsäure, Buttersäure, Brenztraubensäure).
Diese Gärungsprozesse werden durch gleichzeitige Einwirkung von Mehl
und Zucker, Mehl und Hefe oder besonders durch Einwirkung von Mehl, Zucker
und Hefe hervorgerufen. Schäden werden überwiegend bei Konditoren,
Lebkuchenbäckern und bei Arbeitern in der Süßwarenindustrie
beobachtet, selten dagegen in Brotbäckereien und Mühlenbetrieben;
daher kommt die Bezeichnung "Zuckerbäckercaries".
II. Aufnahme und Wirkungsweise
Die Aufnahme erfolgt sowohl durch Mehl- und Zuckerstaub in der Luft, vor
allem aber dadurch, daß die Mehl- und Zuckererzeugnisse abgeschmeckt
werden müssen.
Es können alle Zähne befallen werden. Zucker und Mehl setzen
sich bevorzugt an den Zahnhälsen ab und begünstigen unter Mitwirkung
der Hefe diese Erkrankungen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Die "Zuckerbäckercaries" entwickelt sich rasch und befällt gleichzeitig
mehrere Zähne. Sie beginnt charakteristisch im gingivalen Abschnitt
der Zähne und breitet sich sehr bald auf die Labialflächen, besonders
der Frontzähne, aus. Die Seitenflächen der Zähne werden
erst später befallen.
Wichtig für die Diagnose "Zuckerbäckercaries" ist neben der
Arbeitsanamnese eine Vielzahl oberflächlicher ausgedehnter Zahnhalsdefekte,
die auf die Labialflächen übergreifen.
Die nicht berufsbedingte Caries beginnt vorwiegend an den Fissuren oder
zwischen den Zähnen.
IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung zu A und B
Bei der ärztlichen Beurteilung sind Art, Umfang und Dauer der beruflichen
Tätigkeit, ihr zeitlicher Zusammenhang mit der Erkrankung und Art
und Lokalisation der Zahnschäden zu beachten.
Die Beurteilung der Erkrankungen der Zähne durch Säuren kann
schwierig sein; ihre Begutachtung sollte durch einen auf diesem Gebiet
erfahrenen Zahnarzt vorgenommen werden.
Die unter A genannten Schäden sind relativ selten.
Wir haben das Merkblatt
für Sie abgeschrieben und versucht, den Originalwortlaut ganz genau
zu übertragen.
Dennoch können uns
Fehler unterlaufen sein, wofür wir Sie um Verzeihung bitten.
Verbindlich ist nur der
im Bundesarbeitsblatt veröffentlichte Wortlaut.
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© E.Münzberger

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Letzte Überarbeitung: 1.3.1999
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